Psychiater konstatiert brandgefährliche Lage
Die Situation sei “brandgefährlich”, und der Kremlchef, sein Außenminister Sergei Lawrow sowie die russischen Medien nutzten Atomwaffen als Druckmittel. Umso deutlicher unterstrich Lütz die Bedeutung eines geschickten Handelns und Kommunizierens. “Ich glaube, die Atombombe ist tatsächlich eine psychologische Waffe”, sagte er.”Gegen diese Gefahr hilft nur Stärke und Einigkeit”, so der ehemalige Leiter des Alexianer Krankenhauses in Köln weiter. Bundeskanzler Olaf Scholz, dessen Auftreten der Wissenschaftler bemängelte, riet er, sich ein wenig mehr an amerikanischen Politikern zu orientieren. Deren selbstbewusste, aber nicht auf Eskalation zielende Reaktionen auf Putin seien “völlig professionell” und “absolut cool”.
Lütz: “In dem Moment knallen bei Herrn Lawrow die Korken”
Dass hingegen in Deutschland der Bundeskanzler im Zusammenhang mit Waffenlieferungen “seine Angst vor dem Dritten Weltkrieg” betone, nannte Lütz “wirklich unverantwortlich”. Der Psychiater gab zu bedenken: “In dem Moment knallen bei Herrn Lawrow die Korken.”Auch mit Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und der Gruppe um “Emma”-Herausgeberin Alice Schwarzer, die sich in einem offenen Brief an Scholz gegen Waffenlieferungen ausgesprochen hatte, ging Lütz hart ins Gericht.Während die SPD-Politikerin auf ihn “nicht kompetent” wirke, warf er den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Briefes eine Täter-Opfer-Umkehr und eine gewisse Verwirrung vor. Er habe den Eindruck, “dass viele Intellektuelle in Deutschland ihre geistige Heimat verloren haben”, führte Lütz aus.
Russische Debatte laut Politologin auf Sieg fokussiert
“Viele, die sich zu Wort melden, beschäftigen sich eigentlich mehr mit sich selbst und ihren vertrauten Argumentationsmustern als mit dem, was gerade vor Ort in der Ukraine passiert”, stimmte Gwendolyn Sasse zu.Die Politologin und Slawistin bemängelte, dass die Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft in der hierzulande “doch sehr stark auf Russland fokussierten Debatte” der vergangenen Jahre generell zu kurz gekommen sei.In Russland selbst könne man wiederum ein “psychologisches Aufheizen der Stimmung” und eine Fokussierung auf den Begriff “Sieg” beobachten, erklärte die Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien.”Wir als Bundesregierung haben klar gesagt: Die Ukraine darf den Krieg nicht verlieren”, hielt Justizminister Buschmann dieser russischen Position entgegen. Putin, der über Jahre ausgetestet habe, wie weit er gehen könne, komme sonst auf die Idee, seinen kriegerischen Kurs in Osteuropa fortzusetzen. Es sei allerdings kein Naturgesetz, dass nicht auch Deutschland gegen den eigenen Willen “in einen Krieg hineingezogen” werden könne, mahnte das Kabinettsmitglied gleichzeitig an.
Völkerrechtlerin rät dazu, sich von Ängsten frei zu machen
Man müsse sich von solchen Ängsten frei machen, da man sonst nicht frei denken könne, forderte die Journalistin und Völkerrechtlerin Bubrowski. Selbst wenn Deutschland sich entscheide, der Ukraine nicht nur mit Waffenlieferungen, sondern auch mit Kampfhandlungen zu helfen, rechtfertige das völkerrechtlich keinen Angriff, führte die “FAZ”-Redakteurin aus. Andererseits machte Bubrowski weder sich noch dem Publikum irgendwelche Illusionen darüber, dass der russische Präsident aus rechtlichen Gründen davor zurückschrecken würde.Lütz war dieser Ausblick offensichtlich zu düster, weshalb er, ganz Psychotherapeut, gegen Ende der Sendung etwas Hoffnung aufschimmern ließ. Schließlich könne Putin in Russland jede beliebige militärische Situation als Erfolg deklarieren, was einen Kompromiss durchaus möglich mache. “Das Wort Sieg wird, das wäre meine Prognose, in jedem Fall in der russischen Zeitung stehen am Ende des Waffenstillstands, egal wo die Truppen stehen”, mutmaßte der Wissenschaftler mit einem gewissen Optimismus.