Tag 59 seit Kriegsbeginn: Im Osten des Landes wird in vielen Städten und Orten gekämpft. In Mariupol harren die letzten ukrainischen Verteidiger in einem Stahlwerk weiter aus. Alle Informationen im Newsblog.
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Kreml nimmt neue Interkontinentalrakete Sarmat ab Herbst in Dienst
12.47 Uhr: Die russischen Streitkräfte haben angekündigt, ihre neue Interkontinentalrakete Sarmat ab Herbst in Dienst zu stellen. Es gehe jetzt darum, die Raketentests zu einem vernünftigen Abschluss zu bringen, die Reichweiten zu regulieren und die Sarmat (Nato-Codename: SS-X-30 Satan 2) dann dem Militär zu übergeben, sagte der Chef der Raumfahrtbehörde Roskosmos, Dmitri Rogosin, am Samstag in einem Fernsehinterview. “Wir planen das nicht später als im Herbst”, fügte er hinzu.
Am Mittwoch hatte Russland auf dem nordrussischen Weltraumbahnhof Plessetzk einen Testabschuss mit der Interkontinentalrakete durchgeführt. Präsident Wladimir Putin nutzte vor dem Hintergrund des Kriegs gegen die Ukraine den Raketenstart zu Drohungen gegen den Westen. Die Waffe könne alle Arten der Raketenabwehr überwinden und zwinge “jene zum Nachdenken, die im Feuereifer einer abgebrühten, aggressiven Rhetorik versuchen, unser Land zu bedrohen”, sagte er.
Die Sarmat hat eine Reichweite von 18.000 Kilometern und ist mit atomaren Sprengköpfen bestückbar. Damit kann Russland sowohl über den Nord- als auch über den Südpol angreifen und Ziele weltweit erreichen. Die ersten Einheiten sollen im sibirischen Großbezirk Krasnojarsk stationiert werden.
Russland greift Stahlwerk in Mariupol erneut an
12.26 Uhr: Nach ukrainischen Angaben haben die russischen Streitkräfte ihre Angriffe gegen das Gelände des Asow-Stahlwerks in Mariupol wieder aufgenommen. Sie griffen das Werksgelände aus der Luft an und versuchten, die von ukrainischen Kräften kontrollierten Anlagen zu stürmen, sagt Olexij Arestowytsch, einer der Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, im Fernsehen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Donnerstag erklärt, eine Erstürmung des Stahlwerk solle vorerst aufgegeben und stattdessen eine Blockade eingerichtet werden.
Ukraine-Treffen in Ramstein: Mehr als 20 Länder nehmen teil
11.34 Uhr: Mehr als 20 Länder haben nach US-Angaben bislang ihre Teilnahme an der Ukraine-Konferenz zugesagt, die am kommenden Dienstag auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein geplant ist. Rund 40 Staaten seien eingeladen worden, teilte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, im Pentagon mit. Welche Länder genau schon zugesagt haben, erwähnte er nicht. Auch Nicht-Nato-Staaten seien darunter. Das Treffen finde nicht unter dem Dach des Bündnisses statt.
Zu der Konferenz auf dem Stützpunkt in Rheinland-Pfalz hat US-Verteidigungsminister Lloyd Austin eingeladen. Ein Ziel der Beratungen seien die dauerhafte Sicherheit und Souveränität der Ukraine, hatte Kirby zuvor gesagt. Es solle daher um den Verteidigungsbedarf der Ukraine auch über den aktuellen russischen Angriffskrieg hinaus gehen.
Russland meldet Flugzeugabschuss und Vernichtung von Munitionsdepots
10.47 Uhr: Die russischen Streitkräfte haben eigenen Angaben nach mehr als 20 Munitionsdepots der Ukraine zerstört. Luftgestützte Raketen und die taktische Luftwaffe hätten jeweils drei Depots vernichtet, die Raketenstreitkräfte weitere 16 Munitionslager, teilte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Samstag mit. Unabhängig lassen sich die Berichte nicht überprüfen.
“Die russischen Luftabwehrsysteme haben im Bereich Nowa Dmytriwka im Gebiet Charkiw ein ukrainisches Flugzeug vom Typ Su-25 abgeschossen. Darüber hinaus wurden im Laufe der Nacht 15 ukrainische Drohnen vernichtet, darunter eine Bayraktar TB-2 über der Ortschaft Nowa Sorja im Gebiet Mykolajiw”, erklärte Konaschenkow zudem.
Insgesamt seien durch die Luftwaffe 66 ukrainische Militärobjekte getroffen worden, durch Raketenstreitkräfte und Artillerie sogar 1.098 Objekte. Zumeist handle es sich um Truppenansammlungen, Militärkonvois und Kommandopunkte der ukrainischen Armee, sagte Konaschenkow.
Medwedew: Europa “überlebt keine Woche” ohne russisches Gas
10.30 Uhr: Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat auf eine Leitlinie der EU-Kommission reagiert, wonach es scheine, dass EU-Unternehmen russisches Gas ohne Sanktionsverstoß bezahlen könnten. Man schätze die “Konsequenz und Prinzipientreue der europäischen Partner”, schrieb Medwedew in der Nacht zum Samstag auf Telegram und fügte einen lachenden Smiley und ein Clown-Emoji hinzu. Vor allem, wenn man bedenke, dass nach aktuellen Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) Europa höchstens sechs Monate ohne russisches Gas auskomme. “Aber ernsthaft, sie werden keine Woche überleben.”
Am Freitag hieß es aus Brüssel, EU-Unternehmen dürften nach Einschätzung Brüssels weiter für russisches Gas bezahlen können, ohne europäische Sanktionen gegen Moskau zu verletzen. Ein Sprecher der Behörde sagte mit Blick auf das russische Dekret, das Rubelzahlungen für Gaslieferungen an den Westen vorsieht: “Wir haben das neue Dekret sorgfältig analysiert und stehen in Kontakt mit den Behörden der Mitgliedstaaten und den betroffenen Energieunternehmen.” Bereits am Donnerstag habe man den EU-Staaten mit Blick auf Gasimporte einen Leitfaden geschickt. Darin heißt es, dass es nach dem russischen Dekret weiter möglich erscheine, für russisches Gas zu zahlen ohne gegen EU-Recht zu verstoßen.
Satellitenaufnahmen zeigen offenbar weiteres Massengrab bei Mariupol
10.20 Uhr: Unweit der von russischen Truppen belagerten südostukrainischen Hafenstadt Mariupol deuten Satellitenbilder auf ein mögliches weiteres Massengrab hin. “Dieses Mal im linksufrigen Stadtbezirk beim Friedhof von Wynohradne”, teilte der Stadtratsabgeordnete Petro Andrjuschtschenko am Freitag im Nachrichtendienst Telegram mit. Die Besatzungskräfte würden so versuchen, Kriegsverbrechen zu verschleiern. Die vom US-Satellitenfotodienst Maxar verbreiteten Aufnahmen aus dem Zeitraum vom 22. März bis 15. April sollen einen Friedhof bei Wynohradne vor, während und nach einer Erweiterung der Gräber zeigen.
Satellitenaufnahmen von einem Friedhof bei Wynohradne, nahe Mariupol: Die Aufnahmen aus dem Zeitraum vom 22. März bis 15. April sollen den Friedhof vor, während und nach einer Erweiterung der Gräber zeigen. (Quelle: Maxar Technologies/Handout/Reuters)
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Wynohradne befindet sich am Ostrand der Hafenstadt am Asowschen Meer. Am Vortag hatten ukrainische Behördenvertreter, gestützt auf Satellitenbilder, bereits ein mögliches Massengrab in Manhusch circa 20 Kilometer westlich des Stadtrands vermutet. Der Bürgermeister der Stadt schätzte die Anzahl der Toten darin auf bis zu 9.000. Mehr dazu lesen Sie hier. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.
Bereits kurz nach der kompletten Einschließung von Mariupol durch russische Truppen Anfang März tauchten mehrere Fotos mit Toten in Massengräbern mutmaßlich aus Mariupol auf. Vertreter der ukrainischen Stadtverwaltung gehen infolge der schweren Kämpfe und Bombardierungen von mindestens 20.000 getöteten Einwohnern aus. Die Großstadt hatte vor dem Beginn des russischen Angriffskrieges vor knapp zwei Monaten rund 440.000 Einwohner. Jetz sollen sich noch mehr als 100.000 in der zu großen Teilen zerstörten Stadt aufhalten. Russland hat Mariupol trotz ukrainischen Widerstands um das Stahlwerk Azovstal für komplett erobert erklärt.
Ukrainischer Protest gegen KZ-Gedenkfeier
9.09 Uhr: Nach scharfem Protest des ukrainischen Generalkonsulats in Hamburg hat die KZ-Gedenkstätte Neuengamme das Programm einer Veranstaltung zum 77. Jahrestag des Kriegsendes geändert. Generalkonsulin Iryna Tybinka hatte der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen vorgeworfen, weder Taktgefühl noch Einfühlungsvermögen im Zusammenhang mit dem von Russland geführten Krieg zu haben.
Sie kritisierte insbesondere, dass das Programm für den 3. Mai auch einen Beitrag mit “Stimmen aus der ukrainischen/russischen Zivilgesellschaft” vorgesehen hatte.
Die Generalkonsulin hinterfragte den Begriff Zivilgesellschaft mit Blick auf Russland: “Handelt es sich hier um die Gesellschaft, welche in der letzten unabhängigen Befragung zu 81 Prozent Freude, Stolz und Zufriedenheit über Putins Politik gegenüber der Ukraine empfand? Und deren Vertreter ukrainische Kinder und Frauen mit besonderem Vergnügen vergewaltigen, foltern und töten?” Die Gedenkstätten-Stiftung präzisierte nun, dass Stimmen aus der Ukraine, aber auch den Krieg ablehnende Stimmen aus Russland und Belarus verlesen werden sollen.
Fluchtkorridor für Mariupol bestätigt
8.32 Uhr: Die ukrainischen Behörden haben das Zustandekommen eines Fluchtkorridors für die vom Krieg zerstörte Hafenstadt Mariupol bestätigt. “Die Evakuierung aus dem okkupierten Mariupol beginnt um 11.00 Uhr vom Einkaufszentrum “Port-City” aus”, teilte der ukrainische Stadtrat von Mariupol am Samstag auf seinem Telegram-Kanal mit. Die Busse in die von der Ukraine kontrollierte Großstadt Saporischschja seien für Frauen, Kinder und Alte gedacht, teilte die Behörde weiter mit.
In den vergangenen Tagen gab es immer wieder Versuche, Zivilisten aus der Stadt zu evakuieren. Allerdings scheiterten diese Bemühungen mehrfach. Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, für das Scheitern verantwortlich zu sein. Russland hat eigenen Angaben nach inzwischen die “volle Kontrolle” über die Hafenstadt im Südosten der Ukraine. Im weitläufigen Komplex des Stahlwerks Azovstal halten sich aber nach wie vor ukrainische Soldaten und Kämpfer des nationalistischen Regiments Azov auf. Daneben sollen sich auch Zivilisten in der Fabrik versteckt halten.
Ukraine spricht von russischen Angriffen auf ganzer Front bei Donezk
7.00 Uhr: Die russischen Truppen haben ihre Angriffsbemühungen nach ukrainischen Angaben im Donbass-Gebiet verstärkt. “In Richtung Donezk führt der Feind Angriffshandlungen entlang der gesamten Frontlinie durch”, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht am Samstagmorgen mit.
Die stärksten russischen Angriffe zielen demnach auf die Großstadt Sjewjerodonezk im Gebiet Luhansk. Daneben berichtet der Generalstab von anhaltenden Sturmversuchen in Rubischne, Popasna und Marjinka. Die Angriffe seien abgewehrt worden.