Und noch eine Gemeinsamkeit haben die beiden Kandidaten: Die höhere Aufmerksamkeit, die ihnen in der Bundespartei sicher sein dürfte – vorausgesetzt, Wüst gewinnt. Zwar habe dieser durch sein größeres Bundesland und den größeren Landesverband einen Vorteil – “das bedeutet, mehr Macht im Bund” zu konzentrieren. Doch Wüst ist auch beliebt in seinem Amt: Der Ministerpräsident kann in Umfragen höhere Zustimmungswerte verzeichnen als der Gegenkandidat der Sozialdemokraten, Thomas Kutschaty. (Quelle: Friederike von Heyden/Bergische Universität Wuppertal)
Dr. Detlef Sack ist Professor an der Bergischen Universität Wuppertal. Seine Schwerpunkte liegen auf der Demokratietheorie und Regierungssystemforschung. Zuvor arbeitete er an der Universität Bielefeld. Sack studierte Politikwissenschaft, Mittlere und Neue Geschichte sowie Germanistik und promovierte 2002 an der Universität Kassel. Das könnte auch an der Bundesregierung um Kanzler Olaf Scholz liegen, meint Politikwissenschaftler Sack. “Die SPD hat aktuell eher keinen Rückenwind aus dem Bund.” Dabei werden es vermutlich Bundesthemen sein, die die Wahl entscheiden, meint er – “in ihrer landespolitischen Übersetzung”. Denn neben den klassischen Landesthemen Bildung und Sicherheit dominiert der Ukraine-Krieg die inhaltliche Debatte. Die Energiepolitik, in der die Kompetenzen zumindest zum Teil bei den Bundesländern liegen, rückt in den Fokus.
“Was passiert mit den Kohlerevieren, was passiert mit den erneuerbaren Energien?”, zählt Sack die Fragen auf, die derzeit bewegen. “Schafft die Landesregierung es, große Industriebetriebe wie Thyssen oder Bayer, die auf die Gasversorgung angewiesen sind, bei der Umstellung zu erneuerbaren Energien gut zu unterstützen?”
Wohin mit dem Thema Kohleausstieg?
Das wollen beide Spitzenkandidaten – Klimaneutralität sei das Ziel, zeigt der t-online-Kandidatencheck. Auch am Kohleausstieg 2030 halten beide fest. Bis vor wenigen Monaten sei dieser akzeptiert gewesen. “Das war schmerzhaft für jene, die dort gearbeitet haben”, analysiert der Politologe. Die Akzeptanz sei auch dank der guten Begleitung durch das Land zustande gekommen.Doch der Politologe Detlef Sack vermutet, dass sich in der aktuellen Situation die Diskussion wieder verschieben könnte. “Ich kann mir vorstellen, dass nun bei vielen das Gefühl wieder hochkocht, dass der Kohleausstieg doch eigentlich Mist ist.” Allerdings gebe es keine Partei, die die Wählerinnen und Wähler damit adressieren könnten. “Die Wähler wissen also nicht so recht, wohin mit dem Thema.”
“Die SPD-Hochburgen gibt es nur noch in der Vorstellung der Partei”
Die Kohlereviere des Ruhrgebiets waren einmal die Hochburgen der SPD. Spitzenkandidat Kutschaty betont gern seine Herkunft aus einer Eisenbahner-Familie in Essen – klassisches Arbeitermilieu. Doch Wissenschaftler Sack sagt: “Eigentlich gibt es die SPD-Hochburgen nur noch in der Vorstellung der Partei.” Bei der Bundestagswahl sei es gelungen, dort wieder mehr Wähler für die SPD zu mobilisieren. Das muss die Partei nun auch bei der Landtagswahl schaffen. Denn bei diesen sei zuletzt nicht nur die Anzahl der Stimmen für die Sozialdemokraten gesunken, sondern auch die Wahlbeteiligung, berichtet Sack. “Das heißt, ehemalige SPD-Wähler haben noch keine neue Heimat gefunden.”